Jaipur und Amer: Wo der Mogul sich austobte

Reisezeit: 10.09. - 13.09.2016

Nach einigen Stunden im Überlandbus aus Bharatpur, quer durch die endlose, lehmfarbene Ebene mit ihren vielen Zigeleien, vorbei an kleinen Orten, mitten im nichts, erreiche ich Jaipur, die Haupstadt des Wüstenstaates Rajasthan.

Die nicht umsonst als Pink City bekannte Stadt, deren Altstadt ausschließlich aus rosaroten Gebäuden besteht, kann mit etwas über 3 Millionen Einwohnern gut und gerne als Metropole bezeichnet werden, was besonders bei den Ausblicken von den umliegenden Bergforts deutlich wird.

 

Wie so oft springen einem noch am Gleis des Busbahnhofes die Tuktukfahrer und weitere Händler in den Weg, dieses Mal jedoch mit einem überraschenden Unterschied:
Einige von ihnen sprechen Deutsch und wollen mich zum Tee einladen, natürlich nur aus Gastfreundschaftsgründen und vielleicht um das eine oder andere Geschäft zu besprechen ... denn Jaipur ist vor allem für Gold- und Diamantschmuck, sowie das Schmuggeln solcher Produkte, bekannt- ein Schelm, wer Böses bei einer solchen Einladung denkt.

Ich lehne -mal wieder- dankend ab, und gehe zu Fuß zu meinem Hotel, welches nur einige Minuten vom Bahnhof gelegen ist.

 

Nach einem Abendessen auf der Dachterrasse des Hotels (es gibt Thali, eine Platte mit verschiedenen Gerichten und Saucen in kleinen Schälchen, dazu das übliche Chapati-Brot, sowie Papadam, ein chipsartiges Fladenbrot aus Linsenmehl) ist mein langer Anreisetag schon beendet, denn am nächsten Morgen steht eine lange Fußtour durch die Altstadt an, vorbei an den Sehenswürdigkeiten aus der Mogulzeit und hinauf zum Nahargarh Fort...

 

Am folgenden Morgen betrete ich die Altstadt durch eines ihrer schwer zu übersehenden Tore.

Wer hier jedoch auf eine historische Atmosphäre, wie beispielsweise beim Betreten der Altstadt Marrakeschs hofft, wird enttäuscht, denn hier ist das Stadttor gleichzeitig Parkplatz für Bauarbeiter, Bushaltestelle und Wartebereich für Tuktukfahrer...

 

 

Kurz hinter dem Tor beginnt auf beiden Straßenseiten eine Geschäftsmeile, wo neben Metallwaren und Schmuck auch die alltäglichen Eckgeschäfte stehen, denn Supermärkte gibt es - außerhalb der Reichenvororte, wie z.B. in Delhis Süden - keine.

Und genau in einer solchen Reihe von Geschäften kommt mir jetzt eine kleine Kuhherde entgegen, die es sich scheinbar zum Ziel gesetzt hat sämtliche Geschäfte zu blockieren.

Da die Kuh aber in ganz Indien, ob nun in den eher muslimisch oder hinduistisch geprägten Bundesstaaten, als heilig gilt, machen die Geschäftsleute nur sehr zaghafte Versuche die Kühe von ihrem Geschäftseingang zu vertreiben...

 

Nachdem ich einige Minuten diese recht unterhaltsame Szene beobachte, geht es aber weiter zu meinem ersten Ziel, welches zugleich das Wahrzeichen Jaipurs ist:  Der Hawa Mahal, auch Palast der Winde genannt.

Sicherlich ein eindrucksvolles Gebäude, nicht zuletzt durch seine knapp tausend Fenster, doch wenn man sich in die Geschichte dieses Gebäudes (und einiger anderer Bauwerke der Mogulzeit) einliest, wird der Titel dieses Eintrages sicherlich etwas klarer.

Der einzige Grund für die Erbauung dieser sandroten Palastfront war der Wunsch des Moguls, dass seine Frauen, Geliebten und Hofdamen dem Alltagsleben auf der Straße zuzuschauen, ohne vom einfachen Volk gesehen zu werden.

 

Betritt man nun das "Gebäude" nun von der Rückseite, findet man nur einen recht übersichtlichen Hinterhof und ein Treppenhaus welches zu schmalen Balkons führt, über die die Damen zu "ihren" Fenstern kommen konnten- bei einem so geringen Wohnraum, könnte man schon fast von einem reinen Fassaden-Palast sprechen.

 

 

Nur einige Fußminuten weiter liegt das Jantar Mantar, ein Observatorium aus dem 18. Jahrhundert,

in welchem der astrologisch veranlagte Mogul sich mit Sternenbildern, aber auch wissenschaftlichen Berechnungen beschäftigte- denn Geld und Zeit schien er genug zu haben...

 

Im Zentrum der Anlage steht die größte Sonnenuhr der Welt, welche von der eigenen Turmspitze aus abgelesen werden muss, dafür aber die Genauigkeit bisheriger Sonnenuhren weit übertraf.

Neben der bereits überdimensionierten Sonnenuhr, befinden sich auf dem Gelände weitere große Mess- instrumente:

Mit manchen sollten  Laufbahnen von Sternen berechnet werden, mit anderen Mondphasen, doch, wie einige dieser Geräte funktionieren, bleibt bis heute ein Rätsel...

Bei über 50 Grad in der Sonne macht der Wüstenstaat Rajasthan seinem Namen alle Ehre, aber das Nahargarh Fort, welches auf einem Berg oberhalb der Stadt sitzt, durfte dennoch nicht fehlen.

Bei meinem Weg durch ein Gewirr von kleinen Hinterstraßen suchte ich -zunächst vergeblich- die einzige Zugangsstraße, vorbei an kleinen Hindutempeln, Hinterhof-Nähereien und den überall präsenten Straßenkühen und -schweinen, bis die Serpentinenstraße hoch zum Fort vor mir liegt...

Auf den ersten Metern werde ich von einem Mofafahrer überholt, der fragt, ob er mich nach oben mitnehmen soll- ich lehne dankend ab, denn  Serpentine für Serpentine eröffnet sich der Blick auf die Millionenstadt weiter und das möchte ich in Ruhe genießen können.

 

Zwei Kurven weiter überhole ich den selben Mofafahrer- die Straße ist einfach zu steil und so bleibt ihm nichts anderes übrig, als bis zur Bergspitze weiter zu schieben, doch auch für ihn, war es das alles wert, als er kurze Zeit nach mir vor dem Tor des Forts oben angekommen ist; sowohl der Blick hinab über die gerade gelaufenen Serpentinen, als auch auf die vor einem liegende Millionenstadt sind mehr als eindrucksvoll.

 Obwohl das Fort etwa 300 Jahre alt ist, gibt es eine beeindruckende Menge an Decken- und Wandmalereien, die trotz des extremen Wetterwechsels zwischen Monsun und Trockenzeit noch vom ersten Tag zu sein scheinen,

ob nun Szenen aus dem Leben des Moguls, oder komplexen Mustern, die einen ganzen Raum füllen.


In typisch indischer Art steht in der Nähe der Malereien ein kleines Schild, dass man sich bitte nicht selbst als Künstler an den Wänden betätigen soll, aber neben dieser Aufforderung stehen diese meist historischen Kunstwerke unter keinem Schutz- man traut den Touristen hier wohl eher über den Weg als in Agra, wo die meisten Malereien unter Glasplatten liegen...

 

Nach zwei gemütlichen Stunden im Fort und einer überteuerten Fanta (vor 2 Monaten abgelaufen- Welcome to India) im Freiluftrestaurant laufe ich nun wieder zurück gen Innenstadt, entscheide mich auf Höhe des Hawa Mahals aber spontan dazu, mich mit einer Fahrradrikscha zurück zum Hotel bringen zu lassen.

Der Fahrer kennt den Namen meines Hotels nicht, ist aber fest davon überzeugt es zu finden, nach einem Slalomkurs durch das von Händlern überlaufende Zentrum, vorbei an Straßenkarren mit Obst und manch alternativen Formen von Schwertransporten (Bild) fahren wir also in den Südwesten der Stadt ... und stehen auf einmal auf einer Autobahn-brücke, die definitiv nicht in der Nähe meines Hotels war.

 

Zusammen fragen wir uns rum- er auf Hindi, ich auf Englisch und nach einer guten dreiviertel Stunde (für 4 km Fahrt) erreichen wir das Hotel- er ist müde, aber mit dem Trinkgeld, das ich ihm für die zusätzliche Arbeit gebe, mehr als zufrieden und ich falle müde ins Hotelbett...bei einer Zimmertemperatur von knapp 30 Grad - trotz Klimaanlage und Ventilator...



Der nächste Morgen beginnt - nach einem Frühstück auf dem Dachrestaurant des Hotels - mit einem erneuten Fußweg zum Hawa Mahal, denn dort fahren die Stadtbusse nach Amer ab.

Wie schon fast üblich, muss man sich rundfragen, denn ohne Zielschild sehen die Busse, die in den 50ern wohl schon alt waren, allesamt gleich aus.

Ein Buskontrolleur winkt mir zu und brüllt irgendwas unverständliches, was mit etwas mehr Vorstellungs-kraft aber an "Ammaaaaa, Ammmaaaa" erinnert und so springe ich an Bord.

Die Fahrgäste schauen etwas überrascht, denn die meisten Touristen buchen für diese Tour lieber ein Tuktuk, da ich aber lieber den Alltag der Inder miterleben möchte und zudem für ein Fünfzigstel des Fahrpreises das selbe Ziel erreichen kann, war meine Wahl im Vorhinein auf den Bus gefallen ... was ich spätestens kurz hinter dem Ortsausgang Jaipurs nicht mehr bereue, denn der Blick aus dem Fenster ist mehr als skurril: Ein Elefant mit Reiter führt eine große Autokolonne an, denn auf der eher engen Straße und bei endlosen Gegenverkehr ist ein Vorbeifahren fast unmöglich...

 

Nach einer halben Stunde Fahrtzeit, komme ich schließlich am Fuß des Amer Forts an, welches zusammen mit dem darüberliegenden Jaigarh Fort mein Tagesziel ist:


Während am Eingang dieses Forts aus dem 16. Jahrhundert auf Schildern daraufhingewiesen wird, dass keinem Angestellten ein Trinkgeld gegeben werden soll, stehen hinter diesen Schildern bereits die mit Schlagstock ausgerüsteten Sicherheitsangestellten und versuchen sich ihren Lohn aufzubessern, indem sie einen durch das Fort und seine vielen Ebenen, Höfe und Geheimgänge führen.

Nicht zuletzt, da es keinerlei Beschilderung in der Festung gibt, spreche ich einen der Securities an, welcher Wert darauf legt, dass ich ihm "einfach nur ein Trinkgeld" geben soll, einen Lohn dürfe er während seiner Arbeitszeit ja nicht annehmen...etwas seltsam das alles.

Schon nach wenigen Minuten zeigt sich, dass die Wahl eines Guides sinnvoll war, denn er zeigt mir unter anderem die menschenleeren Tunnel zum Wasserturm, in welchem der Mogul im vierten Obergeschoss wählen konnte, ob durch einen Seilzug warmes oder kaltes Wasser in sein persönliches Bad transportiert wurde - und das zu Zeiten, in denen in Europa die Hofangestellten noch Feuerholz unter die Badewanne des Königs tragen mussten!

 

Das Amer Fort mag zunächst wie eine große Militärfestung wirken, wurde aber ausschließlich erbaut um dem Mogul einen Wohn- und ... naja ... Liebesort zu bieten, einige Kilometer abseits von Jaipur und den dort omnipräsenten Geistlichen, die mit seiner Lebenseinstellung alles andere als einverstanden waren.

Um seine Ruhe zu garantieren wurde ein Netz von Geheimgängen errichtet, durch die der Herrscher die Schlafzimmer seiner Ehefrauen und Geliebten betreten konnte, ungesehen von den anderen Bewohnern des Forts - wo wir wohl wieder beim Titel dieses Eintrages wären...


Durch einen weiteren, zunächst unterirdischen, Geheimgang folgt aus dem Fort heraus nun ein Weg innerhalb einer doppelten Mauer, der den Berg hinauf zum Jaigarh Fort führt.

Kurz vor der Spitze des Berges verlässt man diesen Fluchtweg, welchen der Mogul im Falle eines Angriffs nutzte, und es bietet sich ein weitreichender Blick über die gerade durchlaufende Doppelmauer, das Amer Fort und den Ort Amer selbst.

 

Das obenliegende Jaigarh Fort ist das einzige Militärfort Indiens, welches in seiner 300-jährigen Geschichte nie eingenommen wurde, besonders wegen der dort stehenden "Jaivana", der größten auf Rädern stehenden Kanone der Welt.

 

Auch im oberen Fort ist es nicht anders- man zahlt seinen Eintritt, geht keine zwei Schritte und schon kommt einem ein "hilfsbereiter" Security entgegen, der einen uuuunbedingt durch seine Arbeitsstätte führen möchte.

 

Im Gegensatz zum prunkhaften des Amer Forts, wirkt das militärische Jaigarh Fort eher spartanisch, was Malereien und Gravuren in den Wänden angeht, doch durch seine Aussicht macht es diesen "Mangel" aber problemlos wieder wett.

 

Auf dem Rückweg zum Bus erlebe ich dann noch das, was mir in Bharatpur als "Gesetz der Straße" beschrieben wurde: Ein Autofahrer nimmt einem Mofafahrer die Vorfahrt und verursacht einen kleinen Blechschaden aber statt die Polizei zu rufen, "schlagen" die umstehenden Passanten auf den Autofahrer (glücklicherweise mit offenen Händen, statt Fäusten) ein, um ihn auf diese Weise zu bestrafen- nach einer Minute fahren beide Parteien weiter als wäre nichts gewesen- sicherlich etwas rabiat, aber scheinbar der übliche Alltag in Indien...

 

 

 

Nach einer guten Stunde Busfahrt und Fußweg bin ich zurück im Sunderland Palace (selbst die einfachsten Hotels werden hier zu Palästen gemacht) und lasse die Zeit in Jaipur bei einem Abendessen, das ich mir fast geschwisterlich mit der Hotelkatze teile, ausklingen.

Morgen geht es mit dem Überlandbus - auf einer etwa 7-stündigen Fahrt - zurück nach Delhi, wo meine Reise zwei Tage später dann auch enden wird...

 

So long,...

 

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